Bürger*innenrat 9.10.2021

Ein Klima Bürgerinnenrat für Schorndorf – Bürgerinnen und Bürger erarbeiten Empfehlungen für Politik und MitbürgerInnen

Man hat es vielleicht schon mal gehört: Auf Bundesebene gab es einen „Bürgerrat Demokratie“, später dann eine geloste Bürgerversammlung, die über die Rolle Deutschlands in der Welt diskutierte. Frankreich veranstaltete einen nationalen Klimabürgerrat, der einiges Aufsehen erregte.

In Irland diskutierte ein solches Gremium über die heikle Frage einer Lockerung des Abtreibungsverbots und löste eine jahrzehntelange Pattsituation. In ganz Deutschland wächst die Zahl lokaler zufällig ausgeloster Bürgerräte ebenso wie die Zahl der Initiativen für deren Einrichtung. Oft zum Thema Klimapolitik, aber auch für andere vielschichtige Themen kann ein zufällig ausgeloster Bürgerinnenrat ein geeignetes Mittel der Meinungsbildung sein, das Politik und Bevölkerung ein Stück näher zusammenbringt.

Warum ein Klima Bürgerinnenrat für Schorndorf?

Dass die Maßnahmen zur Eindämmung der Erderwärmung massive Veränderungen unserer Lebensweise erfordern, sagt die Wissenschaft schon lange und diese Erkenntnis zweifelt auch kaum ein/e Schorndorfer Entscheidungsträgerin an. Doch was kann und soll an welcher Stelle konkret umgesetzt werden? Die anstehenden Entscheidungen sind sehr vielschichtig und haben immer mindestens zwei Seiten oder mehr. Das Bedürfnis der einen Bevölkerungsgruppe widerspricht den Ansprüchen und Rechten einer anderen Interessensgruppe. Doch wirksame Maßnahmen, wie z.B. der Ersatz von fossilen durch erneuerbare Energien benötigen Unterstützung auf breiter Ebene, damit sie greifen. Wie lassen sich z.B. für die Ausweitung von Photovoltaik gut durchdachte Lösungen finden, die von einer großen Mehrheit akzeptiert werden?

Mitglieder der Gruppe „Klimaentscheid Schorndorf“ sind der Meinung, eine große Chance liegt in ausgelosten Bürgerinnenräten. Eine Zufallsauswahl von Bürgerinnen und Bürgern wird durch Experten über eine Thematik gut informiert. Anschließend gehen sie in den gegenseitigen Austausch und Diskussion, entwickeln Ideen und Lösungsvorschläge, die dann der Politik übergeben werden.

Die Praxis dieser Vorgehensweise hat gezeigt, dass Bürger schon allein dadurch, dass sie sich intensiv mit einem Thema beschäftigen, ihre Lebenserfahrung und ihren gesunden Menschenverstand einbringen, zu echten Experten werden. Die Lösungsvorschläge solcher heterogen zusammengesetzten Gruppen sind am Gemeinwohl orientiert und bilden meist den besten Kompromiss zwischen vielen Interessensgruppen.

Lösungen, die von den Bürgern selbst kommen, werden viel eher von einer breiten Mehrheit akzeptiert, als wenn die Politik etwas „von oben herab“ beschließt.

Alle Seiten profitieren voneinander: Wissenschaftliche Erkenntnisse werden auf die Lebenswirklichkeit herunter gebrochen. Die Bürger merken, wie schwer und vielschichtig es ist, politische Entscheidungen zu treffen. Die Politik kann die Weisheit und den Erfahrungshintergrund der Bürger nutzen. Die Aussage der Politikwissenschaftlerin Patricia Nanz drückt es treffend aus: „Expertenwissen kann nur demokratieverträglich gemacht werden in einem wechselseitigen Lernprozess zwischen Politik, Wissenschaft und Gesellschaft“. Genau das möchte die Klimaentscheid-Gruppe nun in einem Pilotprojekt umsetzen.

Die Stadt konnte dafür zur Kooperation gewonnen werden. Durch einen Förderantrag bei der Allianz für Beteiligung stehen Gelder zur Verfügung für die Durchführung eines „Pilotbürgerinnenrats“.

Zum Thema „Wie bringen wir schneller und mehr Photovoltaik auf die Dächer?“ wird dieser am 9. Oktober einen Tag lang diskutieren und Lösungsvorschläge und Empfehlungen für die Politik und die Mitbürgerinnen erarbeiten. Deshalb werden demnächst einige Schorndorferinnen Post von der Stadt in ihrem Briefkasten finden. Sie wurden zufällig aus dem Melderegister gelost und haben das Privileg beim Bürgerinnenrat mitzuarbeiten und so Einfluss auf die gemeinsame Gestaltung der Stadt zu nehmen. Die Stadt und die Gruppe Klimaentscheid Schorndorf warten gespannt auf die Rückmeldungen, denn das Verfahren ist für alle Seiten Neuland.